Einbürgerung und Staatsangehörigkeit – Eine Veranstaltung von solidarity city und MMB am 21.03.2023

„Die einzige Möglichkeit in den Besitz sämtlicher Rechte zu kommen, ist der Weg über eine nationale Staatsbürgerschaft.“ Mit diesen Worten begrüßte Walter Schlecht (solidarity city) die rund 50 Anwesenden. Weiter erwänte er, dass die Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt 15.000 Anträge (Einbürgerung, Niederlassungserlaubniss, Verlägerungsanträge usw.) in Arbeit hat. Eine_r Mitarbeiter_in ist dort für ca. 1.000 Menschen zuständig… Wer zweifelt da noch, dass sich etwas ändern muss?

Ardawan Abdi (MMB) führte den Stand der Dinge in Freiburg aus. Unsere Hartnäckigkeit scheint Früchte getragen zu haben. Sicherheit bei unserer Forderung für mehr Personal werden wir erst am 09.05.2023 haben, wenn der Doppelhaushalt 2024/205 im Gemeinderat verabschiedet wird. Die Präsentation von Ardawan kann hier nachgelesen werden.

Rechtsanwalt Harald Schandl, u. a. spezialisiert im Migrationsrecht, zog einen Bogen zwischen den jüngsten Änderungen des Staatsangehörikeitsrecht (2021) über die derzeit gültigen Regelungen bis hin zum den im Kolalitionsvertrag vereinbarten Änderungen.

2021 – Zwei kleinere aber wichtige Änderungen:

  1. eine deutsche Mutter darf ihre Staatsangehörigkeit ihrem Kind weitergeben, auch wenn der Vater keinen deutschen Pass hat. Vor 2021 war dieses nicht möglich! Ein rechtliches Überbleibsel der Frauendiskriminierung…
  2. gem. „Wiedergutmachungsklausel“ bekommen ehemalige Deutsche, die während des Krieges ins Ausland flüchten mussten, und deren Nachkommen wieder den Deutschen Pass ohne große Bürokratie.

Heute: Die Hürden sind hoch! (außer für EU-Bürger inkl. Schweiz)

Man muss zunächst Papiere vorlegen. Das ist für manche Migrant_innen sehr schwierig. Ersatzpapiere oder andere Papiere, möglichst mit Bild, können vorgelegt werden, wenn die Pässe im Ursprungsland nicht beschafft werden können. Das ist ein sehr mühsames Prozedere, das vielfach nicht erfolgreich ist.

Man muss nachweisen, dass man für seinen Lebensunterhalt selbstständig sorgen kann. Allein erziehende Mütter und andere Menschen in prekären Lebensverhältnissen fallen da durch.

Man muss mindestens 8 Jahre in Deutschland leben, einen gültigen Aufenthaltstitel haben und gut Deutsch können.

Außerdem muss man seine bisherige Staatsangehörigkeit abgeben.

Weitere Bedingungen, Erleichterungsmöglichkeiten wegen besonderer Integrationsleistungen und Härtefallklauseln können an dieser Stelle nicht aufgeführt werden. Wir verweisen auf einschlägige Veröffentlichungen.

Der Koalitionsvertrag

Dieser sieht u. a. verkürzte Wartezeiten vor, Erleicherung bei der Einbürgerungen von auf deutschem Boden geborenen Kindern sowie die vielfach angekündigte Ermöglichung von Mehrstaatlichkeit. Aber…

Der Gesetzentwurf muss zunächst innerhalb der Regierung abgestimmt werden. Das gestaltet sich nicht einfach, weil die FDP bestimmte Klauseln, die von SPD und Grünen eingebracht werden, nicht will. Es ist geplant, dass der Regierungsentwurf im September 2023 bekannt gegeben wird. Ein zähes Ringen wird (wieder) erwartet.

Der dann vorgelegte Gesetzesentwurf muss vom Bundestag verabschiedet werden. Auch dort wird eine hitzige Debatte erwartet. Den Linken wird der Entwurf wahrscheinlich nicht weit genug, der CDU/CSU dagegen viel zu weit gehen und die AfD wird ihn strikt ablehnen. Nun… die Ampelkoalition hat doch die Mehrheit im Bundestag, was soll es dann?

Dann muss das Gesetz auch durch den Bundesrat. Das Gesetz geht den Ländern auch etwas an, weil der Verwaltungsaufwand größer wird. D. h. mehr Personal und mehr Kosten in den Ländern. Es ist zu erwarten, dass die Landesregierungen mit CDU/CSU-Beteiligung sich dann wie üblich enthalten werden. Und dann? Dann gibt es keine Mehrheit im Bundesrat…

Also wird das Gesetzesvorhaben voraussichtlich soweit „verwässert“ (also reduziert), dass CDU/CSU mitgehen können. Was dann herauskommt könnte nur der Schatten dessen sein, was im Koalitionsvertrag steht. Das ist ein Lehrstück der demokratischen Prozesse in Deutschland.

Weitere Anmerkungen:

Die Ermöglichung der Mehrstaatlichkeit durch ein deutsches Gesetz wird nicht jeder/jedem nutzen. Manche Länder wie China akzeptieren diese nicht. Wer den Deutschen Pass bekommt, verliert automatisch seinen ursprünglichen Pass.

Eine Studie über die Einbürgerung im europäischen Raum hat nachgewiesen, dass die Einbügergerung ein Integrationsmotor ist, aber nur wenn sie innerhalb der ersten 6 Jahren Aufenthalt erfolgt. Die in Deutschland verlangte Wartezeit von 8 Jahren hat praktisch keinen Effekt auf die Qualität der Integration. Das ist sehr schade, denn ein Hauptziel des Einbürgerungsrechts ist die „Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls“ der Migrant_innen. Also müsste zumindest die Wartezeit verringert werden…

Der MMB bleibt am Ball…